Was ist Autismus?
Autismus ist ein Sammelbegriff für verschiedene tiefgreifende Entwicklungsstörungen, die genaue Bezeichnung lautet Autismus-Spektrum-Störungen (ASS). Darunter fallen insbesondere die beiden häufigsten Formen Frühkindlicher Autismus und Asperger-Syndrom.
Trotz intensiver Forschungen ist die Ursache für das Auftreten von Autismus-Spektrum-Störungen noch nicht hinreichend geklärt. Bekannt ist jedoch, dass es sich hierbei um eine angeborene Störung handelt.
Obwohl in Wissenschaft und Praxis häufig von einer „Störung“ gesprochen ist, ist es wichtig festzuhalten, dass es sich hierbei um eine andere Wahrnehmung der Umwelt handelt, welche jedoch zu diversen Einschränkungen im alltäglichen Leben führen kann.
Symptomatik
Das Erscheinungsbild ist hierbei sehr unterschiedlich und kann je nach Form und Schweregrad stark voneinander abweichen. Manche Betroffene sind schwer beeinträchtigt, während andere (v.a. im Bereich des Asperger-Syndroms) nur wenige Beeinträchtigungen in ihrem Alltag empfinden und sogar Höchstleistungen auf bestimmten Gebieten erreichen. Gemeinsam sind meist jedoch Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion, Schwierigkeiten in der Kommunikation und stereotype Verhaltensweisen oder stark ausgeprägte Interessen. Aufgrund der veränderten Wahrnehmung können Reize aus der Umwelt nicht ausreichend gefiltert werden, weshalb es zur selektiven Wahrnehmung sowie Reizüberflutung kommen kann.
Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung haben darüber hinaus oft Schwierigkeiten die Gefühle anderer Menschen nachzuvollziehen und sich in andere hineinzuversetzen („Theory of mind“). Auch ihre eigenen Gefühle können sie oft nur schlecht wahrnehmen und ausdrücken. Reaktionen auf emotionale Ereignisse können mitunter von der allgemeinen Stimmungslage abweichen, was zu Irritationen der Umwelt und wiederrum Frustration der Betroffenen führen kann.
Erste Auffälligkeiten – bin ich zu alt für eine Diagnose?
Die Diagnose Autismus-Spektrum-Störung ist neben einem gemeinsamen Symptomkomplex durch das Auftreten der Symptomatik vor dem 3. Lebensjahr gekennzeichnet. Während erste Symptome von betroffenen Kindern mit frühkindlichem Autismus meist früh von Eltern oder dem Kindergarten, wenn sie sich erst im Zusammensein in einer Gruppe manifestieren, beobachtet werden und eine entsprechende Therapie früh begonnen werden kann, ist dies bei Betroffenen mit Asperger-Syndrom oft anders. Viele Menschen mit Asperger-Syndrom verfügen über ein gutes bis sehr gutes kognitives Funktionsniveau, welches eine Anpassung an die umgebende Umwelt oft über Jahre ermöglicht, sodass die mit dem Asperger-Syndrom einhergehenden Schwierigkeiten häufig lange unentdeckt bleiben. Diese Kompensation erfordert allerdings viel Anstrengung und geht oft mit einem hohen Leidensdruck einher. Begleitende psychische Erkrankungen wie Ängste und Depressionen oder Suchterkrankungen können die Folge sein, weshalb eine richtige Diagnose auch im Jugend- oder Erwachsenenalter sinnvoll und eine Erleichterung sein kann.
Autismus und Mädchen/Frauen
Während man lange davon ausging, dass Autismus-Spektrum-Störungen vorwiegend beim männlichen Geschlecht auftreten, weiß man heute, dass Mädchen und Frauen ebenfalls betroffen sein können. Die Symptomatik zeigt sich jedoch häufig subtiler und unterscheidet sich dabei in Qualität und Ausprägung. Mädchen und Frauen mit einer Autismus-Spektrum-Störung sind oft zurückgezogener und verarbeiten Schwieriges mehr für sich, als dies nach außen zu tragen. Dabei sind sie oft begnadete Beobachterinnen, passen sich den Anforderungen der Umwelt an und kaschieren ihre Schwierigkeiten in sozialen Beziehungen. Gerade im Verlauf ihrer Entwicklung sind sie, wie junge Menschen ohne ASS-Diagnose auch, mit vielen Themen, wie Pubertät, Körperbild, Freundschaften, Sexualität, Erkennen eigener Potentiale, beschäftigt. Anders als bei neurotypischen jungen Menschen ist bei ihnen jedoch die Fähigkeit, sich Unterstützung Anderer für die Bewältigung dieser Entwicklungsaufgaben zu holen, eingeschränkt.